Spinnengeschichten
Im August des Jahres 2002 gab es ein Vorkommen, das wir jedem unserer Bekannten in Sydney erzählt, aber in unseren Monatsberichten nicht erwähnt hatten. Im August 2003 werden wir wieder daran erinnert, dass wir uns auf dem Kontinent aufhalten, in dem die gefährlichen Tiere nicht groß sind, sondern klein, unauffällig, und gerade durch ihre Kleinheit umso gefährlicher, weil sie sich einfach überall verstecken können. Fassen wir ein Jahr Insekten in Australien in drei Akten zusammen.
1. Akt — August 2002
Nach einem schönen Abend in der Stadt geht Peter ins Schlafzimmer, macht das Licht an und sagt "Ach Du Sch...". An der Wand über unserem Bett hockt eine riesig große Spinne von so etwa acht Zentimetern Durchmesser! Wir sind noch neu in Australien, kennen uns mit den hiesigen Spinnen nicht aus — und nun sitzt da so ein haariges Riesenvieh ausgerechnet über dem Bett. Was, wenn es sich fallen lässt und dann schnell in irgendwelchen Schlupfwinkeln verschwindet? Das Tier ist zu groß, um es auf der Stelle zu erschlagen. In Todesmut holt Claudia eine Plastikbox und eine Pappe, stülpt die Box über das Tier, das in diesem Augenblick aber die Gefahr erkennt und sich fallen lässt. Claudia ist schneller: Ein kleiner Kampf an der Wand, und die Spinne ist in der Kiste. Allerdings verliert sie dabei ein Bein, das zwischen Box und der Wand eingeklemmt worden ist. Peter bringt die Spinne ans Ende unserer Straße und lässt sie frei. Vorbei, geschafft, uff!
Huntsman-Spinne Aug' in Aug'
Acht Tage später: Nach einem schönen Abend in der Stadt — kommt Euch der Satzanfang bekannt vor? — geht Peter ins Schlafzimmer, macht das Licht an und sagt "Ach Du Sch...". An der Wand über unserem Bett hockt eine riesig große Spinne von so etwa acht Zentimetern Durchmesser! Und sie hat sieben Beine! Dieselbe Spinne war in unser Schlafzimmer zurückgekommen, um, so mutmaßen wir, ihr Bein zu suchen. Claudia holt die bekannte und bewährte Plastikbox und eine Pappe, fängt das Tier wieder ein — diesmal ohne Beinverlust, man wird halt mit der Zeit besser —, und Peter trägt es wieder hinaus. Aber nicht einfach ans Ende der Straße, sondern zehn Minuten strammen Fussweg von uns, fast ans Ende unseres Stadtviertels. Am nächsten Tag kaufen wir uns ein Buch Spiders of Australia und stellen fest: Unser Besucher war ein Huntsman. Nicht unbedingt gefährlich, aber man sollte sich lieber nicht beißen lassen.
2. Akt — März 2003
Die Spinnengeschichte liegt lange zurück, unsere Sicherheitsvorkehrungen werden laxer. Bei Paddelvorbereitungen schlüpft Claudia in ihre Schuhe, ohne sie vorher ausgeschüttelt zu haben. Da bewegt sich etwas in dem linken, läuft über die Zehen. Schneller als der Blitz ist der Schuh ausgezogen und geschüttelt. Eine Kakerlake rennt um ihr Leben. Puh, Gott-sei-Dank, nur eine Kakerlake! Igitt, eine Kakerlake im Schuh! Die umstehenden Leute treten sie tot, der Ekel legt sich im Laufe des Tages wieder.
3. Akt — August 2003
Männlicher Funnelweb in Angriffstellung
Wir haben für Sonntag Mittag zu einem Mid Winter-BBQ auf unsere Terrasse eingeladen, fahren morgens zum Fischmarkt und kaufen ein. Die Tüten werden ins Auto gepackt, die Heckklappe wieder geschlossen. Plötzlich Peter zu Claudia: "Augenblick mal, tritt einen Schritt zurück und erschreck' Dich nicht." Langsam öffnet er die Heckklappe, und dort sitzt — wohlgemerkt drinnen! — eine dicke, haarige Spinne in der Nähe des Schlosses. Kein Huntsman, den kennen wir inzwischen. Das haarige Ding bewegt sich und versucht offensichtlich, sich wieder im Auto zu verstecken. Mit einer schnell gepflückten Blume schaffen wir es, das Tier auf den Bürgersteig zu bugsieren. Dort wirkt es weniger bedrohlich, denn dort ist es nicht mehr im Auto. Wir untersuchen die Spinne ein wenig, nähern uns mit der Blume, worauf hin sie sich halb aufrichtet, in Angriffstellung geht. Das ist charakteristisch für den Sydney Funnelweb, eine der ganz gefährlichen Spinnen dieses Kontinents. Die Farbe des Spinne passt nicht zu den Photos unseres Buches Spiders of Australia; wir können nicht mit Gewißheit sagen, was da in unserem Auto war. Aber es war im Auto. Der Schreck und die Vorstellung, was hätte sein können, lässt unseren Blutdruck sinken: Wenn wir gerade gefahren wären, und man spürt etwas am Bein ... Wenn das Tier im Türgriff gesessen hätte ... Man greift so oft nach etwas, ohne genau hinzusehen: Nach dem Gurt, nach einem Taschentuch, in die Tüte mit den Lebensmitteln. Für einige Zeit fühlen wir uns unsicherer. Und an der hinteren Türklappe des Autos finden wir zum Andenken auch von dieser Spinne ein Bein ...