September 2002

Endlich Frühling. Der September bringt für uns in Sydney den Frühling. Nach zwei Wintern in Folge (Europa – Australien) freuen wir uns darauf und daran, die importierten Bäume in der Stadt mit Laub zu sehen – denn im Juni/Juli haben wir nur regelmäßig das alte Laub zusammengefegt... (Die Betonung liegt hier auf "importiert", da alle einheimischen Pflanzen immergrün sind).

Spring Main Harbour Race. Zunächst aber steht am 1. September das "Spring Main Harbour Race" an. Die Yachten fahren hierfür in den Haupthafen hinaus; unsere Jollen bleiben im heimischen Revier, umqueren nur eine Insel mehr. Der Tag wartet mit Starkwind von 30-35 Knoten auf. Michael hat sich nach der erfolgreichen Winterserie ein neues Boot gekauft und beschließt zusammen mit Peter, daß man nicht gerade an einem solchen Tag ein neues Boot testen soll. Poppy aber hat kein Erbarmen mit Claudia: Als eine von nur zwei (!) Jollen trauen sie sich auf das Wasser. Nach einem sehr ungewöhnlichen Start (nicht wie sonst auf ein Signal hin an einer Startlinie, sondern in dem Augenblick, als keiner von beiden gekentert ist) geht die rasende Post ab und – wer hätte das gedacht? – irgendwann kentern Claudia und Poppy wieder und wieder durch, verlieren langsam die Kraft, treiben gleichzeitig auf Land zu und werden schließlich vom Rettungsboot gerettet. Glücklicherweise ohne materiellen Schaden, aber mit so einigen blauen Flecken. Bedenkt man, daß an diesem Tag eine Yacht gesunken ist, so können wir uns nun heroisch rühmen ;-)

Claudia, Peter, Michael und spektakuläre Landschaft

Wandern im Royal National Park. Das folgende Nicht-Segel-Wochenende nutzen wir zu einer ersten von vielen noch geplanten Mehrtageswanderungen. Die Nachttemperaturen erlauben nun Camping, und bevor die Waldbrandsaison beginnt, schultern wir zu siebt unsere Rucksäcke und fahren zum nördlichen Ende des Royal National Parks südlich der Stadt. Die Truppe ist bunt gemischt: wir beiden Deutschen, Michael, der Australier (mit Stammbaum bis in die Tage der "convicts"), Poppy und Emma aus England und Mark und Erica aus Südafrika. Die Camping-Erlaubnis für AU$ 3 pro Person ist eingeholt, Zelt, Isomatte, Gaskocher, Müsli und ausreichend Wasser sind geschultert, und so starten wir noch in Sichtweite der Stadt mit dieser wunderschönen Wanderung, die uns in eine völlig andere Welt holt (siehe auch unsere Fotogalerie Royal National Park). 26 km in zwei Tagen, dem Küstenverlauf folgend, durch ständig sich ändernde Vegetation. Zeitweise fühlen wir uns an die norddeutsche Heide erinnert, dann an Südafrika, dann an eine Geröllwüste, dann wiederum wie die ersten weißen Eroberer in Südamerika bei der Durchquerung eines Palmendschungels, bei dem unsere Rucksäcke sich beständig in den Lianen verhaken. Es sind die Gerüche der Felsen und Pflanzen, die wir einsaugen, und die schönen Ausblicke lassen uns die Qual des vorangegangenen Aufstiegs vergessen. Auch eine Schlange kreuzt unseren Weg (eine Python?), und abends schlagen wir die Schlafsäcke gründlich aus, um nicht ungewollte Bekanntschaft mit einer Spinne zu machen. Das ist Australien pur! Und hier endlich finden wir auch völlig verlassene Strände – nicht weit von Sydney entfernt, aber nicht leicht zugänglich – und springen in die (noch) eiskalten Fluten.

Sonnenuntergang bei Seal Rocks

Einmal Lane Cove hin und zurück. Am Wochenende darauf steht für Peter Sport auf dem Programm. Nicht unbedingt von vornherein so geplant, ergibt es sich wie folgt: Samstag wollen wir beide mal wieder eine lange Paddeltour in den Lane Cove Nationalpark machen (vergleiche auch Monatsbericht August). Peter bekommt den Hinweg, Claudia ist für den Rückweg vorgesehen. Wie beim letzten Mal fährt Claudia mit Zug und Bus zum verabredeten Treffpunkt und bereitet das Picknick vor, als Peter nach nur 2.5 Paddelstunden die letzte Flußbiegung umrundet und die Pause genießt. Jedoch leidet Claudia unter einem steifen Nacken, der im Laufe des Samstag Vormittags schlimmer geworden ist, und bittet Peter, auch den Rückweg zu übernehmen. Und genau wie auf unserer August-Tour frischt der Wind am Nachmittag stark auf, kommt direkt von vorne. Peter kämpft sich durch hohe Wellen, flucht über die Motorboote und Fähren (denen gegenüber ein Kayak zwar Vorfahrt hat, aber wer will sich schon wirklich darauf verlassen?) und spürt immer deutlicher in den Schultern und Fingern, daß er inzwischen seit 5 Stunden (!) paddelt. Eine letzte Anstrengung über den Parramatta River, und endlich – endlich – kann er auf heimischem Land anlanden. Wir rechnen aus, daß Peter ca. 25 km gepaddelt ist, zum Großteil mit Gegenwind. An diesem Abend ist nicht mehr viel mit ihm anzufangen, und er wünscht sich einen ruhigen Sonntag.

Sonntag jedoch wartet mit Sonnenschein und 25 Knoten Wind auf, und diesmal gehen Michael und Peter mit dem neuen Boot aufs Wasser. Sie starten zwar nicht mit der Regatta, aber bei diesem Wind ein unbekanntes Boot zu segeln, ist Herausforderung genug. Während Claudia und Poppy (inzwischen muß man sagen "mal wieder") eine Schwimmstunde einlegen und "mal wieder" mit dem Motorboot gerettet werden müssen, kann Peter an diesem Tage sein bisher theoretisch erworbenes Wissen über "richtig kentern" praktisch erproben. Einige Male schaffen es die beiden, ihr Boot wieder aufzurichten und weiter zu segeln. Irgendwann jedoch kentert das Boot immer wieder durch, und sie lassen sich mit dem Motorboot nach Hause ziehen. Beim Barbeque am Abend schlafen wir beide vor Erschöpfung fast ein, aber gleichzeitig gibt uns das Essen auch wieder Kraft und Wärme zurück.

Parkplatz im ländlichen Australien

Mit dem Mietwagen raus aus der Stadt. Nach all dem Sport und den Blessuren verspricht Claudia Peter für das kommende Wochenende Erholung und Entspannung. Um bloß nichts körperlich Anstrengendes zu machen, mieten wir uns – zum ersten Mal seit unserer Ankunft in Sydney – ein Auto und haben einfach nur das Ziel, ein wenig raus zu fahren. Auto fahren, Landschaft an sich vorüber ziehen lassen, Australien außerhalb der Stadt schnüffeln, das ist unser Motto auf dem Weg nach Norden. Und obwohl wir vom Outback weit entfernt sind und bleiben, durchfahren wir doch einige sehr ländliche Gegenden. "Wie kommen diese Leute hier an Wasser, wie an ein Einkommen?" fragen wir uns in so manchen trockenen Tälern und weit entfernten Farmen. Unser Zelt schlagen wir direkt am Strand auf. Es ist Vollmond, und das Licht des Mondes wird vom Wasser reflektiert. Wir schlafen ein mit dem Geräusch der Brandung und wachen morgens früh vom Lärm der Kookaburras wieder auf. Das Photo zeigt den Sonnenaufgang um 5:45 Uhr. Wirklich sehr entspannend und unbedingt empfehlenswert für alle, die uns hier mal besuchen kommen werden.

Bemerkung am Rande: Einige Freunde haben uns geschrieben, daß unsere Berichte sich arg nach Urlaub anhören. Vermutlich ist das ein natürlicher Prozeß, wenn man solche Monatsberichts ins Internet stellt. Unstrittig machen wir auch Allerweltsdinge: Wir putzen uns die Zähne, waschen Wäsche, stehen Schlange im Supermarkt, verpassen den Bus... Aber wenn Ihr am Montag gefragt werdet: "Was hast Du am Wochenende gemacht?" erzählt Ihr ja auch nicht, daß Ihr verdaut habt etc., sondern eben nur eine gefilterte Version der Erlebnisse, gell? ;-)