September 2012
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Pläne. Manchmal muss man nur eine Entscheidung treffen und anschließend einen Fuß vor den nächsten setzen, um ganz große Veränderungen einzuleiten. In diesem Monatsbericht geht es nicht nur um das, was im September 2012 passierte. Vielmehr kulminieren in diesem Monat viele Dinge, die eine Historie haben, die lange zuvor angedacht und angegangen worden waren. Wir beginnen ganz von vorne.
Im April wird uns bei der Planung unseres Deutschlandbesuchs 2012 bewusst, dass dies das vorletzte Mal sein wird, dass wir uns so eine "Extravaganza" würden leisten können. Denn 2014 werden Niklas und Jonas eingeschult werden, und die kurzen australischen Winterferien während des deutschen Sommers werden eine lange und kostspielige Reise kaum rechtfertigen. Peters gerissene Achillessehne hat uns darüber hinaus bewusst gemacht, welche Flexibilität seine Tätigkeit in einer globalen Rolle mit sich bringt. Dass er an sich arbeiten kann von wo er möchte. (Dafür ist er allerdings öfter, als ihm lieb ist, morgens um 7 am Telefon mit Kollegen in Vancouver und abends um 9 mit denen aus London ...)
Jedenfalls reift eine Idee, ein Plan: Warum verbringen wir nicht 2013 in Deutschland?
Niklas und Jonas könnten ihr Deutsch im Kindergarten verfeinern. Sie würden einen Winter und das Alltagsleben in der Heimat ihrer Eltern kennenlernen: Braten statt Sushi, Straßenbahn statt Auto, Etagenwohnung statt Haus mit Pool. Und wir alle wären für eine Weile näher an Familie und Freunden in Good Ol' Germany.
Claudia startet einen Testballon und schreibt ein Dutzend Kindergärten in Karlsruhe an. Eine gute Woche später hat sie eine Zusage im Posteingang. Damit ist die Ampel auf Grün gestellt; aus einer Idee wird ein Projekt. Denn nun tun sich jede Menge großer Fragen auf.
Was zum Beispiel machen wir mit unserem Haus? Es liegt wunderschön, aber waldbrandgefährdet, an einem Nationalpark in Sydney. Die Gegend ist geprägt von großen Grundstücken und alten Bäumen. Leider ist die Infrastruktur recht dünn, und man ist auf's Auto angewiesen. Man holt sich nicht mal schnell morgens frische Brötchen, wenn das einen Weg von 3 km bedeutet. Die S-Bahn-Haltestelle ist 4 km entfernt. Für Europäer, gewöhnt an Bäcker um die Ecke, Fußgängerzonen und gut ausgebauten Nahverkehr, eine ungewohnte Umstellung. Wir hatten schon länger mit dem Gedanken gespielt umzuziehen. Zum Projekt "Deutschland 2013" gesellt sich daher das Folgeprojekt "Hausverkauf".
Ehe wir Sydney im Juli Richtung Deutschland verlassen, werden schon einige Dinge in die Wege geleitet. Der Immobilienmarkt in Australien ist deutlich offensiver als in Deutschland. Dort tuscheln die Nachbarn ja beinahe schon, wenn man sein Haus verkaufen will, ob man es sich nicht mehr leisten könne oder eine Scheidung anstehe. Hier ist ein Umzug nichts besonderes. Viele Australier kaufen sich im Laufe ihres Lebens "die Treppe hinauf", beginnen in jungen Jahren mit einem bescheidenen Heim, das dann (oft renoviert) mit Gewinn verkauft wird und die Basis für das nächste Zuhause bildet.
Vor den Häusern stehen große Schilder, die auf den Verkauf hinweisen. Prospekte liegen aus. Allwöchentlich öffnet man zu fest definierten Zeiten sein Haus den potentiellen Käufern, die dann eine Stunde Zeit haben sich umzuschauen, ehe sie Karawanen-gleich zum nächsten Objekt weiterziehen. Häuser sind im Vorfeld herausgeputzt worden. Und auch wir trennen uns auf eBay oder Sperrmüll von Dingen, die lange unbenutzt herumstanden. Zwei Tage lang zieht ein kommerzieller Reinigungstrupp um unser Heim herum und reinigt mit Hochdruckreinigern Dach, Sandsteinplatten, Wege, Außenwände, Fenster und Glasbalustraden. Natürlich haben wir längst einen Makler ausgewählt, von einem Gutachter eine Zusammenfassung über den Stand des Hauses schreiben, Fotos und Prospekte erstellen lassen. Als wir unseren Winterurlaub beginnen, ist alles vorbereitet für das erste "open house" eine Woche nach unserer Rückkehr Ende August.
Als wäre es damit nicht genug, kommt ein weiteres Projekt dazu: Wohin zurückkehren im späten 2013? Dank des dynamischen Immobilienmarkts in Sydney würden wir aus der Sicherheit einer kurzfristig angemieteten möblierten Wohnung mit hoher Wahrscheinlichkeit zwar recht schnell ein neues Zuhause finden. Dennoch beginnen wir sicherheitshalber schon im Mai 2012 mit der "house hunt". Wir wollen es dem Zufall überlassen, ob wir schon vor unserem Auslandsjahr unsere künftige Bleibe finden oder doch erst Ende 2013 mit der Suche beginnen werden.
Im Juni werden wir fündig, und im September wird nach langen und zähen Verhandlungen ein Vertrag unterzeichnet, der Mitte Dezember in Kraft treten wird. Ab dann sind wir stolze Besitzer eines schicken, nur 3 Jahre alten Hauses im Stadtteil Narrabeen in der Region Sydney Northern Beaches. Nur einen guten Kilometer vom Pazifik entfernt, 400 m zu einer Lagune (auf der man Jollen segeln oder Kajaks paddeln kann), 800 m zu Ladenzeile, Grundschule, Pfadfindern. Die derzeitigen Eigner werden es ab Dezember für ein weiteres halbes Jahr anmieten, in etwa also bis zu unserer Rückkehr nach Down Under.
Obwohl kurz niedergeschrieben, ist dieses Projekt also ein Kraftakt für sich. Noch nervenaufreibender ist aber ein Hausverkauf ... Obwohl ein potentieller Käufer einen Tag vor Vertragsunterzeichnung noch zurücktritt, und obwohl wir unser Haus von der eigentlich geplanten Versteigerung — einer hier recht üblichen Art des Hausverkaufs — zurückziehen, wird dann doch im September nach nur 5 Wochen Verkaufskampagne eine Familie gefunden, die unser Haus ab Mitte Dezember ihr neues Heim nennen wird.
Das klingt alles so einfach, so nahtlos. Aber glaubt uns, zum ersten Mal in unserem Leben liegen Schlaftabletten auf dem Nachttisch. Nur rückblickend erscheint alles wie aus einem Guss. Vergessen sind nun das Entrümpeln des Hauses, die Wahl eines Maklers, Gespräche mit Darlehensberatern, Verhandlungen mit Banken. Vergessen sind das Hoffen und Bangen vor jedem Samstag, an dem unser Haus für eine Stunde zur Besichtigung offen stand, und die Frustration, wenn die Resonanz der Besucher nicht war wie erhofft.
Würden wir es wieder machen? Wahrscheinlich nein. War's den Aufwand wert? Vermutlich ja. Denn nun freuen wir uns wahnsinnig auf unser neues Zuhause und zuvor auf den Aufenthalt in Deutschland. Gerade noch rechtzeitig können wir 4 Flugtickets für Mitte Dezember ergattern, ehe sie am Folgetag dank des weihnachtlichen Reiseverkehrs je etwa $1.000 teurer werden. Glück haben wir auch bei unserer Suche nach einer Wohnung in Karlsruhe, wo der Markt an möblierten Bleiben eng ist. Trotzdem finden wir ein Apartment in Fußentfernung zum Bahnhof, so dass Peter leicht zur Arbeit pendeln kann. Die 80 Quadratmeter werden uns in Anbetracht dessen, was uns in Narrabeen erwartet, zwar heimelig vorkommen. Es ist aber alles da, was wir brauchen: 2 Schlafzimmer, Küche, Wohnraum, ein Wintergarten-ähnlicher Essbereich, Tiefgaragenplatz, Nähe zur Straßenbahn. Vor allem aber ein Etagenbett für Niklas und Jonas. Die können's kaum abwarten! Und Claudia und Peter geht's nun, wo der ärgste Stress langsam in Vergessenheit gerät, ebenso.
"Once you make a decision, the whole world conspires around you to make it happen", lautet Claudias Leitspruch. Wenn man erst einmal eine Entscheidung getroffen hat ... Ist es Glück? Ist es der Wille, Pläne umzusetzen? Ist es geschicktes Taktieren? Wahrscheinlich von allem etwas. Jedenfalls haben wir in 2012 die Weichen gestellt für ein abwechslungs- und erfahrungsreiches 2013 und die Jahre danach.