Juli 2002

Keine Wolke zu sehen

Das Wetter. Im Monatsbericht Juli muß zunächst erstmal das Wetter erwähnt werden: Seit mehr als vier Wochen haben wir ausnahmslos schönes Wetter. Der Himmel ist makellos blau, nicht ein einziges Wölkchen zeigt sich am Firmament. Dadurch werden die Sonnenauf- und -untergänge in Sydney jeden Tag zu einem Naturschauspiel, das seinesgleichen sucht. Ihr kennt alle die Photos von Australiens Outback, wenn sich von Osten langsam die Nacht nähert und im Westen ein rot leuchtendes Feuerwerk abgeschossen wird. Genau so ist es! Am allerschönsten ist der Abendhimmel eine halbe Stunde nach Sonnenuntergang, gegen 17:30. Dann leuchtet der Westen in orangerot und spiegelt sich im Wasser, so daß wir das Gefühl haben, an einem Lavasee zu wohnen. Die Lichter der Stadt sind schon entzündet, zeigen aber in diesem bunten Feuerwerk noch keine Wirkung. Die letzten Yachten sehen eilig zu, daß sie nach Hause kommen und manchmal sieht man gar noch Ruderer sich kräftig in die Riemen legen, um das sichere Boothaus bald zu erreichen. Jeden Abend sehen wir die Nachbarn zu einer gemütlichen Zigarette an die Kaimauer gehen und das Farbspiel betrachten. Zwei Wochen lang nehmen wir dieses unglaubliche Wetter gerne hin. Doch als wir auch nach drei Wochen noch keine einzige Wolke gesehen haben, werden Nachbarschaftsgespräche auf der Straße auf dieses Thema gelenkt. Die ersten Bekannten klagen über ihren trockenen Garten und unsere Lippen verlangen wieder täglich nach "Labello". Nach vier Wochen setze ich mich trotz schönster Sonne in unsere dunkle Kammer an den Rechner, um diesen Monatsbericht zu schreiben. Schade eigentlich ;-)

Hauseinweihung. Am Samstag, 29. Juni (gehört also eigentlich in den Juni-Bericht...) geben wir unsere erste "Housewarming Party". Claudia hatte am Vortag auf dem Fischmarkt eingekauft und bereitet ein Brunch aus Zwiebelkuchen (hier ist ja schließlich Winter), Calamari, Octopus und kleinen fritierten Fischlein. Und dann kommen unsere ersten sieben Gäste in dieser neuen Heimat und weihen mit uns zusammen das Haus offiziell ein. Abends haben wir beide noch etwas ganz besonderes vor: Wir gehen zu einem Symphonie-Konzert in die Oper! Dazu nehmen die Fähre bis Circular Quay. In der Oper trinken wir einen Sekt und genießen den Blick auf die leuchtende Stadt. Später lassen wir uns von den Klängen Rachmaninovs und Prokovievs verzaubern und betrachten dabei immer wieder fasziniert die Architekur des Opernhauses. Und als nach dem Konzert die meisten Besucher in die Tiefgarage zu ihren Autos strömen, bummeln wir wieder gemütlich zum Fähranleger und nehmen den Wasserweg nach Hause.

Wale. Im Winter soll man vor Sydneys Küste viele Wale beobachten können. Unsere Erfahrung gleicht einen Bühnenstück in drei Akten:

  1. Claudia macht sich beim ersten Mal allein auf den Weg zu den Felsen des "North Head" bei Manly. Diese Steilfelsen begrenzen den Hafen zum Meer und werden immer wieder als guter Ort für "Whale watching" genannt. Mit Fernglas und Proviant ausgerüstet harrt Claudia 3 Stunden auf den Felsen aus – und dann heben sich zwei schwarze Rücken aus den blauen Fluten. Lange Zeit bleibt unklar, wer dort tatsächlich im Wasser herum schwimmt, doch endlich legen sich die Seehunde auf den Rücken und schauen Claudia neugierig an.
  2. Am nächsten Wochenende wandern wir beide den berühmten "Spit-Bridge-to-Manly-Scenic-Walkway" (vgl. auch Tipps für Sydney-Besucher) entlang, einen Weg durch den Harbour Nationalpark mit fantastischen Ausblicken auf das Südufer und den Middle Harbour mit seinen vielen kleinen Sandtränden. Als wir gerade auf einem Felsen mit "Aboriginal Rock Engravings" sind und die Blicke kontemplativ über das Wasser schweben lassen, sehen wir Kayakfahrer gebannt in eine Richtung schauen. In dieser Richtung ist das Wasser von vielen Rückenflossen durchbrochen. Eine Herde von mehr als 20 Delfinen spielt im Hafen!
  3. Am dritten Wochende versuchen wir unser Wal-Glück gemeinsam am North Head an Claudias Felsen vom ersten Mal. Die Sicht ist gut (siehe Wetter oben), das Wasser glatt: ideale Voraussetzungen. Nichts! Gar nichts. Ein schwarz-weißer Kormoran auf der Jagd, drei Toastbrotscheiben und eine Plastiktüte sind alles, was wir im Wasser entdecken. Und plötzlich: Ein kleiner brauner Pinguin schwimmt dem Küstenverlauf folgend unter uns vorbei. Pinguin, es gibt keinen Zweifel! Wir wußten, daß es Pinguine in Kapstadt gibt und in Südaustralien, aber in Sydney? Später lesen wir nach, daß "Little Penguin" eine kleine Kolonie in Sydney Harbour hat, die einzige Kolonie auf Australiens Festland.

Wale haben wir immer noch nicht gesehen, aber Seehunde, Delfine und Pinguine. Was uns wohl beim nächsten Versuch über den Weg schwimmt? ;-)

Peter in unserem Kayak

Paddeln in die Lane Cove. Die Aufteilung unserer Freizeit richtet sich jetzt nach dem Wind: Bei Wind wird gesegelt, bei Flaute gepaddelt. Gegenüber unseres Stadtteils windet sich die "Lane Cove" kilometerlang durch Sydney. In der Nähe das Hafens noch von Wohngebieten umgeben, ist die Lane Cove weiter oben ein großer Nationalpark (kostet gar Eintritt für Autos). Die Bucht ist sehr schmal, das Wasser geschützt und es gibt keine Fähren. Ein ideales Ziel für eine große Paddeltour. Von uns aus rechnen wir 10 min. bis zum Beginn der Cove und 45 min. bis zum Beginn des Nationalparks. Dort stehen Mangroven auf den Uferbänken, das Wasser wird seicht und wir fühlen uns an die Paddeltour auf der Jagst erinnert mit Oli, Rebecca und Annabelle im Juli 2001. Diese Stadt ist einfach herrlich! Und Claudia entdeckt das Kayak für den Lebensmitteleinkauf: Es gibt in der Nähe einen kleinen Sandstrand vor einem Supermarkt. Ideale Voraussetzungen, um Milch, Joghurt und Müsli zu bunkern. Auf zwei Kayaktouren kommen Claudia auch direkt neben unserer Cockatoo-Insel Pinguine entgegen gepaddelt. Nun will Peter alles geben, ebenfalls Pinguine zu treffen...

Aus aller Herren Länder. Besondere Erwähnung verlangt auch der Kneipenabend nach der Sonntags-Segelregatta am 14. Juli. Wir treffen uns in großer Runde im "Bald Rock" Pub, daß so versteckt liegt, daß garantiert noch nie ein Tourist dorthin gekommen ist. Dafür gibt es gigantische Steaks für AU$ 12, ein Bier inklusive. Die Segler sammeln sich nach und nach im Kaminzimmer und wir beide haben die Gelegenheit, mit vielen Leuten zu klönen, die wir bisher nur vom Sehen kannten. Und so klönen wir mit Poppy und Andy aus England, mit Erica und Mark aus Südafrika, mit Kerri, Kim, Michael und George aus Australien. Kerri hat lange Zeit in Remscheid gewohnt, Erica und Mark in Seeheim-Jugenheim, George in Lörrach. Auf unsere Frage "Is anybody of you a real Australian?" antwortet Kerri (auf deutsch!) "Ich". Und als das Thema auf unsere Homepage kommt und Claudia auf Englisch erklärt, daß "heinpit" ein norddeutscher Name ist, nickt Mark mit dem Kopf und sagt (auf deutsch!): "ja, ja, friesisch"!!! Wie könnten wir uns da noch fremd fühlen in diesem riesigen Schmelztiegel von Kulturen, Nationen und Weltenbummlern?

Glückliches Palmy: Wasser, wohin man schaut

Kuring-gai chase National Park. Einen geplanten Wochenendausflug in die Blue Mountains haben wir verschoben auf später im Jahr. Jeder, den wir gefragt haben, hat uns geantwortet: "Do you know how cold it is there now?" Aber wir wurden eingeladen, im September oder Oktober eine mehrtägige Wanderung mit Zelt zu machen. Und so bleiben wir jetzt im Winter lieber in Küstennähe: Wir machen uns einen wunderschönen Tag im Ku-Ring-Gai Chase National Park 40 km nördlich der Stadt. Auf der einen Seite brandet die tasmanische See, auf der anderen Seite liegt das stille Wasser des Hawkesbury River, eines Naturhafens ähnlich dem von Sydney. Auf beiden Seiten Sandstrand... Mit Wanderschuhen erklimmen wir einige Felsen und gehen – wer hätte das gedacht? – auf Walsuche.