Juli 2005
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Al(l)di(e)gutendinge. Als wir 2002 nach Down Under kamen, waren wir noch überrascht, ein Stück "Alte Heimat" vorzufinden: Aldi! Waren es seinerzeit kaum zehn Filialen, die über Australien, vorwiegend um Sydney herum, verteilt waren, so öffnete nun im Juli bereits die 50ste — quasi um die Ecke von Peters Arbeitsplatz in North Sydney! Er und ein paar Kollegen machen sich am Eröffnungstag den Spaß, mal vorbeizuschauen — ... und ein deja-vu zu erleben: Wie in Deutschland wird auch hier quasi aus dem Karton gekauft. Ganz ungewohnt für Australier ist auch, dass der Einkaufswagen eine Pfandmünze verlangt. Und diese komischen Deutschen wollen ihre Plastiktüte auch noch bezahlt haben! Nichtsdestotrotz ist der Laden voll und die Schlange an der Kasse lang. Hier macht Aldi übrigens Zugeständnisse an die Einkaufsgewohnheiten Down Under: Die Tüten werden vom Personal gepackt, und Kreditkarten werden, wenn auch gegen 1% Aufschlag, akzeptiert.
Auch wenn an diesem Tag keine Einkäufe unsererseits getätigt werden, so ist unser Haushalt doch keine Aldi-freie Zone: Einen Aldi-Freiluftgasheizer nennen wir unser eigen. Und dazu gesellte sich kürzlich eine Nähmaschine, mit der Claudia bereits Roastbeefs Spinnaker, zu sehen im letzten Monatsbericht, reparierte, der irgendwann bei Starkwind einen argen Riss davongetragen hatte.
Bemerkung zum Schluss: In Anbetracht von Australiens geographischer Lage dürfte es nicht überraschen, dass die hiesigen Filiale alle der Aldi Süd-Kette angehören...
Wale. Winter in NSW ist Walzeit. Von Juni bis Mitte August ziehen die Wale aus der Antarktis in das warme Queensland, und im Oktober und November schwimmen sie wieder nach Süden in die Kälte. Wir kennen das Rezept, wie man Wale sieht: Viel, viel Zeit auf dem Wasser verbringen. Trotzdem stellen wir fest, daß wir jedes Mal, wenn wir einen Kayak-Wal-Trip ansetzen, auch tatsächlich welche sehen. Daher stellt sich die Frage: Haben wir schlicht und einfach sehr viel Glück, oder gibt es so viele Wale? Am 2. Juli paddeln wir von Clontarf zwischen den Sydney Heads auf das offene Meer hinaus, keinen Kilometer, da sehen wir schon von weitem die Wasserfontänen. Auf der Walautobahn schwimmen die beiden großen Säuger nach Norden. Wir stoppen acht Minuten Tauchen zwischen dem Atemholen. Für uns neu ist, daß pro Wal zwei Fontänen aufsteigen, das Erkennungsmerkmal von Southern Right Whales (bisher hatten wir "nur" Begegnungen mit Buckelwalen). In Australien werden wir langsam zu Experten in Sachen freilebende Tiere...
Broughton Island. Ähnlich Sydney Harbour ist das 200 Kilometer weiter nördlich liegende Port Stephens ein fast schon fjord-ähnlicher Einschnitt in die Küstenlinie. Ein Flecken, an dem wir schon viele Wochenenden verbrachten. Im offenen Meer vor dieser tiefen Bucht liegen mehrere Inseln, die nur von wenigen Menschen, vorwiegend Fischern, je besucht werden. Eine davon ist Broughton Island, eine Gruppe von Inselchen, Felsen und Riffs, und in Seekajaker-Kreisen noch immer ein Ziel, an das sich Neulinge nicht trauen. Kein Wunder in Anbetracht der 18 Kilometer langen Überquerung des offenen Meeres. Viele Male hatten wir in letzter Minute aufgrund des widrigen Wetters unsere Pläne aufgeben müssen, dorthin zu paddeln. Ende Juli endlich klappt es. Bei absolut flacher See machen Sue und Kevin, Claudia und Peter sich frühmorgens auf und erreichen den Broughton Island-Strand zur Mittagszeit. Nachdem die Zelte aufgeschlagen und unsere Brötchen gegessen sind, umrunden wir die Inselgruppe. Die Bedingungen sind perfekt, die vielen Grotten und sogar einen etwa 100 Meter langen Naturtunnel mitten durch eine Insel hindurch zu erforschen. Am Spätnachmittag sitzen wir am Strand, essen Kartoffelchips und trinken Rotwein. Als die Sonne langsam untergeht und Festland, Insel und Meer goldrot einfärbt, tauchen um die Riffe vor dem Strand die Konturen von Delphinen auf, die in der leichten Brandung spielen. Und wieder einmal wundern wir uns, dass wir dies ganz für uns allein haben dürfen, ganz umsonst und gerade einmal zwei Autostunden von Sydney entfernt.
Fahrertraining. Claudias Firma zahlt den Angestellten ein Fahrertraining. Unsere erste offizielle Schulung im australischen Straßenverkehr, nachdem wir seit über drei Jahren auf diesen Straßen und seit März mit australischem Führerschein fahren. Nun bekommen wir unsere Vermutungen bestätigt: In Australien gibt es kein Führerscheintraining, das einer Qualitätskontrolle standhalten könnte. Als 17-Jähriger darf man mit beliebigem Beifahrer, der im Besitz einer Fahrerlaubnis ist, am Straßenverkehr teilnehmen. Das Logbuch mit den Fahrteneinträgen kontrolliert niemand. Die Prüfungen sind darauf ausgelegt, 95% aller Prüflinge bestehen zu lassen. Entsprechend ist das Fahren in Sydney waghalsig. Es kommt noch besser. Eine Nachprüfung muß man erst wieder im Alter von 85 Jahren absolvieren. Nochmal zum Auf-der-Zunge-zergehenlassen: Das durchschnittliche Sterbealter liegt für Männer bei 72 und für Frauen bei 83, aber die Fahrtüchtigkeit wird erst mit 85 wieder in Frage gestellt. Da gibt es den Mann, der 1919 geboren wurde. Seine Kutscherausbildung — keine Ampeln, keine Kreisel, keine 6-spurigen Straßen — wurde nach dem Krieg in einen Autoführerschein umgewandelt, und seitdem hat dieser Mann keine Prüfung mehr gemacht — bis Juni 2005. Das ungewöhnliche: Er bestand. Oh Sydney, deine Fahrer!!!