November 2012
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Besuch bei den Sea Shepherds. Während die übrigen Episoden dieses Monatsberichts allesamt ums Thema Wandern gehen, führt uns die erste aufs Wasser; genau genommen auf die Schiffsplanken der Bob Barker.
Die Bob Barker ist ein Schiff der Sea Shepherd-Organisation. Bob Barker, amerikanischer Talk Master, hatte den Erwerb des Schiffes durch eine großzügige Spende von 5 Millionen Dollar möglich gemacht. Die Sea Shepherds haben sich vorwiegend dem Schutz der Meerestiere, und hier vor allem der Wale, verschrieben. Die Organisation hatte sich vor Jahren von Green Peace abgespalten, das in den Augen ihres Begründers David Watson zu zahm agierte. Alljährlich hört man nun in den Nachrichten vom (oft gewalttätigen) Aufeinanderprallen der Sea Shepherd-Schiffe mit der japanischen Walfangflotte in den antarktischen Gewässern südlich von Australien.
Unser Freund David hatte vor Jahren eine Saison als Schiffsarzt auf einem der Schiffe verbracht und kümmert sich heute noch um die medizinische Ausstattung der Flotte. Er ist es, der Claudia vom Eintreffen der Bob Barker berichtet und sie sowie Jonas und Niklas bei der Crew anmeldet. Als die drei am Hafen eintrudeln, werden sie schon erwartet. Kima, eine der vielen Freiwilligen an Bord, führt sie über das Schiff. An einem großen Plakat bekommen Niklas und Jonas die vielen Walarten erläutert. Kima war vor ihrer Zeit an Bord der Bob Barker Kindermädchen — in einer Familie mit Zwillingen! Entsprechend geduldig geht sie auf die Fragen von zwei 4-Jährigen ein. Niklas und Jonas haben passend zum Anlass ihre Sea Shepherd-T-Shirts und rote "Piratentücher" angezogen. Jonas hat außerdem ein Schwert dabei und einen roten Plüschfisch, der heute mal die Rolle eines Wales spielen muss. Beim Anblick der beiden (und der spießbewehrten Bob Barker) muss jedem japanischen Walfänger eigentlich das Herz in die Hose rutschen!
Zu guter Letzt werden alle drei zum Mittagessen in die Kantine des Schiffes eingeladen. Claudia hat jedoch eigenes Essen dabei, welches sie und die Kleinen auf der Kaimauer gerade munter mümmeln. Kurz wird diskutiert, den Mittagstisch in die Schiffskantine zu verlegen. Doch da auf der Bob Barker streng vegan gegessen wird — Schinkenbrötchen und Joghurt gehören nicht in diese Kategorie ... —, einigt man sich darauf, dass Niklas, Jonas und Claudia erst nach dem Hauptgang auf ein Eiskrem vorbeischauen — auch dies streng vegan und entsprechend ohne Sahne. Den Kleinen schmeckt's nicht. Aber abgesehen davon war der Besuch bei den Sea Shepherds ein voller Erfolg.
Die Bob Barker verlässt Sydney am darauf folgenden Mittwoch. Wir wünschen allen an Bord eine erfolgreiche Mission, aus der sie unversehrt wieder heimkehren mögen.
Palmy. Immer wieder einen Ausflug wert sind die nordöstlichen Ausläufer Sydneys: Die Küstenstadtteile Avalon, Whale Beach und Palm Beach liegen auf einer schmalen Halbinsel, die sich wie ein 15 km langer erhobener Zeigefinger nach Norden erstreckt. Im Westen formt sie die große Bucht Pittwater, im Osten liegt der Pazifik, und im Norden mündet der Hawkesbury River in der Bucht Broken Bay mit ihren vielen Fjord-ähnlichen Verästelungen und der Insel Lion Island Sphinx-gleich in der Mitte. Dies ist definitiv eine der schönsten Landschaften der Welt! Zeit für uns, sie mal wieder zu besuchen.
An einem Samstag-Morgen ohne Pläne machen wir uns also auf den Weg Richtung "Palmy", wie das Millionärsrefugium gerne genannt wird. 40 km von Sydneys Stadtmitte bedeuten Welten, was das Leben angeht: Während dort Hektik und umtriebige Anzugträger das Stadtbild beherrschen, lehnt man sich hier gemütlich im Straßencafé zurück, spielt Golf, segelt oder surft entlang der orangefarbenen Strände. Dies ist Urlaub, 365 Tage lang. Wer so weit von der Stadt entfernt wohnt, muss entweder nicht mehr arbeiten oder gönnt sich den Luxus eines Wochenendhauses. Was der Medianhauspreis von 2 1/2 Millionen Dollar, etwa 2 Millionen Euro, widerspiegelt. Die richtig feinen Häuser an den Hügeln, die das Wasser überblicken, kosten oft das Doppelte.
Unser Vergnügen ist dagegen fast gratis: Mit Picknick bepackt machen wir uns auf den Weg hinauf zum Barrenjoey Head-Leuchtturm. Vom Golfplatz aus geht es über den Pittwater-Strand zum Beginn eines alten Weges, der über 100 Jahre alt ist und mit großen, unebenen Pflastersteinen belegt ist. Der gabelt sich in eine steile Variante, die über in den Fels geschlagene Treppen hinauf führt, und einen flacheren, auf dem wir schließlich zurückkehren werden. Davor jedoch genießen wir die Aussicht, kraxeln durch die Heide-ähnliche Vegetation und finden eine perfekte Felsplatte mit Aussicht nach Süden, auf der wir unser Picknick verschlingen und nebenstehendes Panoramafoto Richtung Palmy aufnehmen. Jonas und Niklas halten tapfer durch und werden bei der Rückkehr auf Null-Niveau mit einem Eiskrem belohnt. Der Abstecher zum Abendessen im nahe gelegenen Biergarten fällt allerdings aus: Als wir dort am späten Nachmittag vorbeifahren, sind die Kleinen schon längst eingeschlafen ...
Wandern im Lane Cove Nationalpark. Nach dieser positiven Erfahrung schnüren wir auch am folgenden Wochenende die Wanderschuhe: Diesmal ist ein Stück des Great North Walk unser Ziel. Diese Wanderung waren im Januar dieses Jahres Pico, Christian und Peter angegangen. Am Ende hatten Claudia, Gisela, Niklas und Jonas mit einem Barbeque gewartet. Und auch diesmal trennen sich unsere Wege: Claudia setzt Jonas, Niklas und Peter auf halbem Wege unserer Januar-Wanderung ab und fährt anschließend zum Zielpunkt. Zuvor allerdings wandert sie mit "ihren Männern" ein Stück in den Nationalpark hinein. Dieser Abschnitt zwischen der De Burghs Bridge und dem Besucherzentrum ist der spektakulärste: Überhängende Klippen und natürliche Felstunnel sind ein Abenteuerspielplatz für Vierjährige. Anschließend, aber da hat Claudia uns bereits verlassen, geht es durch frisches Waldbrandgebiet und dann entlang des Lane Cove River. Wir zählen die Wasserdrachen, als uns Claudia entgegenkommt. Einen Kilometer weiter warten Picknickbänke und elektrische Grillplätze, und wir lassen uns die wohlverdiente Wurst schmecken. Niklas und Jonas sind so erschlagen, dass Claudia sie im Auto mit nach Hause nimmt. Peter, der die Woche über mehr sitzt, als ihm lieb ist, marschiert die 8 Kilometer zurück nach Turramurra.
Wandern im Wild Flower Garden. Als wären zwei Wanderungen in einem Monat nicht genug, geben wir's uns auch am folgenden Wochenende. Der sich abzeichnende Abschied von Sydney weckt einen regelrechten Heißhunger, die Schönheiten dieser Stadt ein letztes Mal für längere Zeit zu erkunden.
Vom Ku-ring-gai Wild Flower Garden hattet Ihr schon in früheren Berichten lesen können, z.B. als Ort von Niklas und Jonas 4. Geburtstagsfeier. Allerdings fanden dort immer nur das Besucherzentrum und die direkt angrenzenden Wege Erwähnung. An diesem Wochenende im November wollen wir eine der längeren Wanderungen in diesem Teil des Ku-ring-gai Chase Nationalparks wagen: den Mueller Track. Die Schilder am Beginn des Weges summieren das, was auf uns wartet, in wenigen nackten Zahlen auf: 3 Kilometer Länge, 2 Stunden Wanderzeit — ein eindeutiges Indiz! Einfach wird das hier nicht.
Das erweist sich als nicht ganz richtig. Offensichtlich haben die Planer des Weges beim Berechnen der Wanderzeit bereits eingerechnet, dass man immer mal wieder stehen bleibt, um die Natur zu genießen. Zwar geht es über natürliche (und entsprechend anspruchsvolle) Treppen und Felsen die 150 Höhenmeter hinunter ins Tal. Aber wandererprobt, wie wir mittlerweile sind, ringt uns das nur ein müdes Lächeln ab. Relativ bald erreichen wir die Talsohle mit einem kleinen Bach und zwei Wasserfällen. Hier ist es angenehm schattig und etwas kühler und feuchter. Und das hat Folgen.
Es beginnt damit, dass Claudia sich am Bein kratzt und dabei ... — einen Blutegel entdeckt! Wir untersuchen unsere acht Beine und merken, dass dieser kein Einzelkind ist. Fröhlich Blutegel wegschnippend geht es im Eilschritt weiter, bis wir einige hundert Meter weiter eine große, sonnige Felsplatte erreichen. Die ist gar nicht nach dem Geschmack der kleinen Blutsauger — umso mehr nach unserem! Hier machen wir Rast, ziehen uns bis auf die Unterwäsche aus (australische Wanderwege sind selten übervölkert), schnippen noch eine Viertelstunde lang, und lassen uns dann unser Picknick schmecken. Wir spekulieren, ob die Planer des Weges in ihre konservative Angabe der Dauer dieser Wanderung bereits diverse Blutegelerlebnisse eingerechnet hatten. Jedenfalls fühlen wir uns erinnert an frühere Begegnungen mit den kleinen Beißern.
Der Rest der Wanderung verläuft relativ unspektakulär (sprich: blutegelfrei). Eine gute Stunde später und 150 Meter höher erreichen wir unser Auto, das uns nach Hause bringt in den wohlverdienten Pool. Der Mueller Track hat auf alle Fälle hohen Erinnerungswert!