November 2008
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Melbourne Cup Day. Manche australische Tradition oder Institution ist für uns nüchterne Deutsche kaum nachvollziehbar, muss britisch-skurrilen Ursprungs sein. Dazu gehört definitiv Melbourne Cup Day, Slogan: "The race that stops a nation". Oder wäre in Deutschland ein Pferderennen vorstellbar, das den ganzen Tagesablauf zum Erliegen bringt? Dessetwegen (zumindest in manchen Bundesländern) ein Feiertag ausgerufen wird? An dem die arbeitende Bevölkerung in den übrigen Bundesstaaten riesige Hüte und gewagte Haute Couture- Kreationen trägt, sich nachmittags im Pub zum Sekt vor der Großleinwand trifft und Bruttosozialprodukt einfach Bruttosozialprodukt sein lässt?
Jonas und Niklas lassen sich von Claudia zu einem Melbourne Cup- Nachmittag mit anderen Müttern und Kindern chauffieren. Auch hier werden wie im ganzen Land sogenannte "Sweeps" verkauft, Lose mit einer Zahl darauf. Die Eigner der Lose, die die Nummer des erst-, zweit- oder drittplatzierten Pferdes tragen, streichen den gesamten Wetteinsatz ein.
Claudia investiert drei Dollars für drei Sweeps für sich und die Jungs, und tatsächlich sahnt Jonas den Hauptgewinn ab. Der Beginn einer vielversprechenden Zocker-Karriere ...
The Gong. Dank der vielen helfenden Hände, die bei uns wohnen, konnte Peter schon recht bald das Radfahren wieder aufnehmen. Ganz anders sieht das für Claudia aus: Denn sie hat neben den zwei Gründen Niklas und Jonas noch einen weiteren Grund, der sie von einem regelmäßigen Trainingsprogramm abhält: die Verpflichtung (und biologische Notwendigkeit), erstgenannte zwei Gründe alle paar Stunden mit Muttermilch abzufüllen — da kann man nicht einfach für ein paar Stunden aus dem Haus, ohne für Geschrei auf der einen, Mega-Druck auf der anderen (eigenen) Seite zu sorgen.
Ab Oktober entspannt sich die Situation. Es stehen weniger Fütterungen in immer größeren Zeitabständen an, und dank "modernster Technologie" — sprich: Pumpe und Fläschchen ... — können auch mal die Babysitter Milch in die hungrigen Mäuler füllen. Claudia hat plötzlich wieder die Möglichkeit, sich für ein paar Stunden auf's Rennrad zu schwingen und sich in den Nationalparks vor unserer Haustür "auszutoben".
Fernziel ist The Gong, eine Radfahrveranstaltung, die die Teilnehmer von Sydney nach Wollongong knappe 100km weiter südlich führt. Peter hatte bereits in 2007 teilgenommen, und diesmal steckt sich auch Claudia dieses Ziel. Schon allein deshalb, um allen und sich selbst zu beweisen, dass sie "zurück" ist.
Unsere 2008er Teilnahme ist allerdings mit größeren logistischen Herausforderungen verbunden. Nicht nur, dass genug Milch für die Zeit von Claudias Abwesenheit vorhanden sein muss. Damit der Rückweg reibungslos vonstatten geht, fährt Peter bereits am Samstag vor dem großen (Sonn-)Tag mit dem Auto nach Wollongong, stellt es am Bahnhof ab und fährt mit Bahn und Bussen nach Hause. Tags drauf wartet somit nach Überqueren der Ziellinie ein Transportmittel. Denn wir fürchten, dass der Rückweg mit öffentlichen Verkehrsmitteln in Anbetracht der Teilnehmerschar von 14.000 Radlern sehr, sehr lange dauern könnte.
Zur Radtour selbst ist (wie im Vorjahr) zu sagen, dass die Szenerie einfach spektakulär ist. Besonders der Weg durch den Royal National Park und entlang der Küste sind atemberaubend. Ein Tag, der uns noch lange in Erinnerung bleiben wird, soviel ist gewiss.
FM99.3-Hafenrundfahrt. Die Medienlandschaft in Australien ist nicht unser Ding: Keine der hiesigen Zeitungen kommt auch nur annähernd in Seriosität und Tiefe an Die Zeit oder die Süddeutsche heran. (Peter erzählt immer wieder süffisant, wie die Titelseite des Sydney Morning Herald sich nach dem Wahlwochenende 2003 dem Autorennen in Bathurst widmete ...) Von den fünf kostenfrei zugänglichen TV-Programmen sind drei werbeverseucht; es scheint keine Beschränkung zu geben, wieviele Werbeblöcke in einen 90-Minuten-Spielfilm gepackt werden dürfen. Und ähnlich ist's im Radio.
Da ist unser Lokalsender FM99.3 eine echte Wohltat: Unterbrechungen halten sich in Grenzen, und die Musikauswahl mit Rock- und Popklassikern sowie (smooth) Jazz trifft ganz unseren Geschmack. Der Sender finanziert sich zumindest teilweise durch "Spenden". Man wird Mitglied für ein Jahr und erhält im Gegenzug alle möglichen Sonderkonditionen für Veranstaltungen.
Als FM99.3 Mitte des Jahres die Werbetrommel ao stark schlägt und die Jahresmitgliedschaft mit so vielen "Goodies" — T-Shirts, Essensgutscheine, ... — versüßt, dass man trotz Mitgliedsbeitrag einen Gewinn macht, schlägt Claudia zu und wir werden FM99.3ler. Prompt werden wir im November eingeladen, gegen einen kleinen Unkostenbeitrag bei der jährlichen Hafenrundfahrt dabei zu sein. Da wollen wir doch mal schauen, ob Niklas oder Jonas seekrank werden! :-) Schon vorweg: Sie werden es nicht; dafür wird der Tag aber für Claudia und Peter eine Herausforderung. Minutiös wird geplant, wann man wo sein muss, damit unser sorgfältig konstruiertes Gerüst aus Routinen nicht ins Wanken gerät: Letzte Fütterung zuhause; Fahrt Richtung Hafen; Parken und Weg zum Bootsanleger; schliesslich die nächste Fütterung an Bord, ehe wir uns hoffentlich zurücklehnen und einfach genießen können!
Womit wir nicht gerechnet hatten sind das Wetter — es sind Starkwind und unruhige See vorhergesagt — und die "Größe" des Schiffes. Die "Harbour Queen" ist nämlich eine ehemalige Hafenfähre, aber offensichtlich aus einer Zeit, als die Menschen noch kleinwüchsig waren und nur wenige Wagemutige sich auf's Wasser trauten. Als wir an Bord gehen, ist das "ebenerdige" Deck längst gefüllt, und als wir endlich mit dem riesigen Doppelkinderwagen die Stiege ins Obergeschoss erklommen haben, finden wir gerade noch rechtzeitig ein Plätzchen für uns vier. Ab dann aber läuft alles nach Plan, und nachdem unsere "Raubtiere" gefüttert sind und sich wohlig vom dümpelnden Schiff in den Schlaf wiegen lassen, genießen wir Musik, Sandwiches und Kuchen und nicht zuletzt die vertrauten Küstenlinien, die wir so lange nicht gesehen hatten.