August 2010
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Back in business. Zwei Kleinkinder bescheren genug tagesfüllende Beschäftigung. Und an ihr Angestelltendasein hat Claudia nicht nur gute Erinnerungen. Trotzdem wird nach zwei Jahren ohne "ordentlichen" Beruf der Wunsch lauter, einer bezahlten Tätigkeit nachzugehen. Und der Zufall spielt mit!
Im Februar konntet Ihr über den Harvest Hub lesen und seine Erfinder Jayne und Anton. Im Gespräch mit Jayne findet Claudia heraus, dass Jayne eigentlich Lehrerin ist. Und nicht nur irgendeine: Zusammen mit ihrer Freundin Rhonda hat sie Lieder komponiert und vertextet, die an vielen australischen Kindergärten und Grundschulen zum Standardrepertoire im Musikunterricht gehören. Die beiden haben noch viel vor: Zum einen liegen neue Lieder in der Schublade. Zum zweiten haben sie auch Anschauungsmaterial erstellt, dass aufzeigt, wie welches Lied im Unterricht und im Tanz möglichst gewinnbringend eingesetzt werden kann, wie es den Kleinen bei der Sprach- oder Körperbeherrschung hilft, dem Verstehen von Rhythmus, Lautstärke, Klangfarben von Instrumenten. Die halbe Unterrichtsvorbereitung ist dem interessierten Musiklehrer bereits abgenommen! Und nun soll, zum Dritten, ein neuer Vertriebskanal genutzt werden. Statt gedruckt in Büchern und gebrannt auf CD werden die Materialien, so die Idee, im Internet zum Herunterladen angeboten. Und hier kommt Claudia ins Spiel, die sich bereit erklärt, die technische Seite zu betreuen. Abends werden seither Videos für YouTube vertont und geschnitten, Webseiten erstellt, diverse Online-Bezahlsysteme evaluiert. Im Oktober soll alles live gehen, und es bleibt noch jede Menge zu tun. Zumindest bis dahin werden unsere Monatsberichte mit Verspätung erscheinen :-)
Wahl. Wir wollen diesen Bericht für Euer aller politische Weiterbildung nutzen — und Euch die Skurrilitäten des australischen Wahlsystems etwas näher zu bringen ...
Seit Oktober 2008 ist Claudia australische Staatsbürgerin und als solche verpflichtet, an Wahlen teilzunehmen. Ja, Ihr habt richtig gelesen, in Down Under herrscht Wahlpflicht, und Nicht-Erscheinen wird mit einer Geldstrafe "gewürdigt". Im August 2010 steht die Wahl des Parlaments ("House of Representatives") sowie des Oberhauses ("Senate") an und damit auch indirekt die des Regierungschefs. Zeit, sich mal mit den Details auseinanderzusetzen. Und so lernen wir beispielsweise, wie der Wahlzettel auszufüllen ist. Bei der Wahl zum Parlament etwa wählt man Personen, nicht Parteien; es gibt keine Erst- und Zweitstimme wie in Deutschland (sondern nur die Erststimme). Ins Parlament ziehen nur die Gewinner der Wahlkreise ein. Der Wähler bedenkt den Lieblingskandidaten mit einer '1', den zweitliebsten mit einer '2' usw. Bemerkenswert ist, dass alle Kandidaten auf der Liste, auch die, die man auf den Tod nicht ausstehen kann, mit einer Nummer zu versehen sind. Aus diesen gewichteten Stimmen wird dann der siegreiche Kandidat errechnet. Wie? Das illustrieren wir der Einfachheit halber an einem Beispiel:
Nehmen wir an, unsere Kandidaten heissen Nick, Tony und Jenny. In ihrem Wahlkreis gibt es 60.000 gültige Stimmen, und Nick erhält von 15.000 Wählern eine '1', Tony von 23.000, Jenny von 22.000. Nick ist somit das Schlusslicht und aus dem Rennen. Von seinen 15.000 Anhängern haben 8.700 der Jenny eine '2' gegeben, für 6.300 ist Tony der zweitliebste Kandidat. Diese Stimmen werden zu obigen hinzugezählt, so dass Tony nun 23.000 + 6.300 = 29.300 Stimmern hat, Jenny 22.000 + 8.700 = 30.700 — somit gewinnt sie den Wahlkreis!
Auf der Webseite der Australian Electoral Commission findet sich ein historisches Beispiel, wonach im Jahr 1972 im Wahlkreis McMillan ein anfangs weit abgeschlagener Kandidat (8.282 Einsen gegenüber 22.802 Einsen für den nach der ersten Auszählungsrunde Führenden) noch den Wahlkreis gewann.
Kein Wahlrecht ist absolut perfekt und gerecht, und das australische gewährleistet immerhin, dass stark polarisierende Kandidaten nicht unbedingt die Nase vorn haben werden, siehe das McMillan-Beispiel. Wir fragen uns dennoch, ob die Vieren, Fünfen, Sechsen, ..., die man vergeben muss, noch wirklich ernstzunehmen sind. Noch eklatanter wird es auf dem Wahlzettel zum Senat. Dort kann man sich das Leben einfach machen und einer Partei ein Kreuz geben. Die muss dann entscheiden, wen sie in den Senat schicken wird. Alternativ kann man aber wie bei der Wahl zum Parlament die einzelnen Kandidaten mit Zahlen versehen. Claudias Wahlzettel listet 48 Personen. Hand auf's Herz: Wer von Euch kann seinen siebenunddreissigst-liebsten Politiker benennen?
Am Tag der Wahl sitzt Claudia mit ihren Partnerinnen Jayne und Rhonda zusammen und geht daher nicht "bei uns um die Ecke" wählen. Auf Anraten von Jayne sucht sie einfach ein anderes Wahllokal auf. Uns hatte schon erstaunt, dass Claudia nie ein Schreiben zugestellt worden war, das sie zum Wählen legitimiert. Stellt Euch erst unser Erstauen vor, als Claudia tatsächlich an "fremder Stelle" einen Wahlzettel erhält — es wird einfach gefragt, wer sie sei und ob sie schon gewählt habe. Kein Ausweis, nichts! Ihre Teilnahme an der Wahl wird mit einem Bleistiftstrich in einem dicken Buch festgehalten. Wenn sie wollte, so könnte sie nun weitere Wahllokale aufsuchen und ihre Stimme abgeben (oder auch die eines anderen).
Aber vermutlich sehen wir das nur durch unsere kleinlichen deutschen Augen so kritisch ... No worries, mate, wird schon alles seine Richtigkeit haben!