April 2011
Bilder anklicken, um ein Vollbild zu sehen.
Tomba La Bomba. Mitte April verreisen unsere Freunde, die Brownies, für zwei Wochen. Irina ist freiwillige Helferin bei Sydney Wildlife, einer gemeinnützigen Organisation, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, sich um gefundene und verletzte einheimische Tiere zu kümmern. Bei den Brownies wohnen daher in schöner Regelmäßigkeit Kakadus oder Lorikeets, kleine bunte Papageien. Was tun, wenn man mal ausbüchsen will? Nun, dafür hat man ja Freunde. Und so kommt es, dass wir in besagter Zeit einen Untermieter haben. Er wohnt auf unserem Deck mit Ausblick auf den Nationalpark und heisst Tomba La Bomba nach dem italienischen Skirennfahrer der frühen 90er. Warum? Keine Ahnung! Tomba ist nicht einmal besonders beweglich, da er unter Arthritis leidet — trotz seines jungen Alters von (geschätzten) drei Jahren! Sulphur-crested Cockatoos, zu denen Tomba gehört, haben eine Lebenserwartung von rund 65 Jahren.
Tomba scheint sich recht wohl zu fühlen. Nachts rücken wir seinen Käfig in Hausnähe, so dass es nicht zu kalt wird. Morgens spielt sich das immergleiche Schauspiel ab: Zuerst kreischt Tomba kurz nach Sonnenaufgang in bester Hahn-Manier, wohl um uns zu wecken und sein Frühstück einzufordern. (Die Brownies schwören übrigens Stein und Bein, dass er bei ihnen muxmäuschen still sei.) Damit stößt er bei uns zwar auf taube Ohren, denn zuerst trinken wir unseren morgendlichen Kaffee im Bett. Dafür zieht er aber auf magische Weise seine wilden Artgenossen aus dem Nationalpark an! Jede Menge Freunde tummeln sich daher kurz darauf um seinen Käfig. Wobei wir, auch wenn Tomba das nicht gerne hören mag, den Eindruck haben, dass diese Freunde weniger wegen seiner angenehmen Gesellschaft vorbeischauen, als vielmehr um die um den Käfig verteilten Futterreste des Vortags unter sich aufzuteilen ...
Als Tomba La Bomba kurz nach Ostern wieder die Heimreise in den Stadtteil Waverton antritt, lässt er jede Menge gebrochene Herzen zurück. Wir beobachten für ein paar Tage argwöhnisch jeden Kakadu, der sich unserem Haus nähert, ob er vielleicht aus Liebeskummer — oder Frustration wegen des urplötzlich versiegten Nachschubs an Futter — Kleinholz aus unserem Deck macht. Das passiert nicht. Anscheinend trösten sich die verschmähten Liebschaften damit, dass die Urlaubsromanze in 2012 sicher eine Fortsetzung erfahren wird.
Ostern. Ostern verwöhnt uns mit einem 5-Tage-Wochenende: wie in Deutschland sind Karfreitag und Ostermontag Feiertage. Dieses Jahr ist's aber so, dass der Feiertag Anzac Day am 25. April auf den Ostermontag fällt. Da in Australien die nette Gewohnheit gilt, dass ein "ausgefallener" Feiertag nachgeholt wird, bekommt das Land kurzerhand auch noch den Dienstag frei. Wir vermuten mal, dass im säkularen Down Under de facto nicht Anzac Day nachgeholt wird, sondern der Ostermontag. Womit Australien das einzige Land auf der Welt sein dürfte, in dem der Ostermontag am Dienstag gefeiert wird ...
An sich stellt sich die Frage, was tun mit einem so langen Wochenende. Aber wie jedes Jahr nimmt uns der Wettergott die Entscheidung "Wegfahren — ja oder nein?" ab, und es regnet die meiste Zeit. Womit wir dank hyperaktiver und erwartungsvoller Kinder dann doch vor die Frage gestellt werden, was tun. Glücklicherweise ist im Strandstadtteil Manly ein kleiner Jahrmarkt aufgebaut, und da Claudia sowieso mit Ziel Manly paddeln geht, machen sich auch Peter, Jonas und Niklas dorthin auf den Weg. Um dann festzustellen, dass wegen der Nässe das Karussell mit den Flugzeugen gesperrt ist. Kurzzeitig, nur bis der Regen eine Pause einlegt. Aber macht das mal einem Zweieinhalbjährigen klar, der weinend davor steht ...
Irgendwann hat der Karussellbetreiber ein Einsehen, und Jonas und Niklas sind die ersten (und einzigen) Kinder auf der Runde. Schon im Vorfeld war tagelang diskutiert worden, wer in welchem Flugzeug sitzen würde, Niklas rotes Flugzeug, Jonas gelb. Und so kommt's dann auch.
Am weniger regnerischen Ostersonntag hat der Gartenbaubetrieb "Eden Gardens", dessen Newsletter Claudia abonniert hat, zur Ostereiersuche eingeladen. Zuvor besuchen wir aber noch die kleine Kirche in unserem Stadtteil. Wie zu Weihnachten 2010 erwartet uns eine familiäre Atmosphäre. Da die Kirche vor Jahren einem Brand zum Opfer gefallen war, werden Gottesdienste im kleinen Gemeindezentrum abgehalten, das wochentags auch als Kindertagesstätte genutzt wird. Als wir vier etwas verspätet eintrudeln, werden Niklas und Jonas gleich in Empfang genommen und in die Ecke mit Spielsachen geführt, wo sie sich selbst beschäftigen. Die Andacht der (übrigens koreanischen) Pfarrerin wird immer mal wieder von unseren glucksenden und brabbelnden Kindern "aufgelockert"; daran stört sich aber niemand. Im Anschluss sitzt man noch bei Tee, Kaffee und Selbstgebackenem zusammen.
Weiter geht's zu Eden Gardens, wo die Ostereiersuche leider schon vorbei ist, Jonas und Niklas aber noch je einen kleinen Topf mit Kräutern sowie Schokoladeneier geschenkt bekommen. "Gartenbaubetrieb" schrieben wir oben. Wer nun an die Dorfgärtnerei seiner Jugend denkt, erlebt einen Kulturschock: Die Großstadtgärtnereien des Jahres 2011 sind eher kleine Bundesgartenschauen als bearbeitete Äcker mit Glashaus darauf. Klar, es gibt weiterhin Kilometer von Wegen durch Beete voller Rosenstöcke, Apfelbäume, Begonien. Aber hier gibt es Kunst im Garten, dort eine Auswahl an Wasserspielen und Brunnen. Ein riesiger Bereich zeigt exemplarisch, wie verschiedene Gärten aussehen könnten. Man fühlt sich an eine Fertighausausstellung erinnert. Ein Fingerzeig, eine Unterschrift unter einen Scheck, und schwups ist der eigene Garten auch so ein Schaustück!
Im Café singt ein Duo leise Songs, es gibt Ostersonntagsbrunch. Wir setzen uns an einen Tisch auf den Kieswegen, Hecken und Brunnen mit Seerosen im Hintergrund, und lassen es uns gut gehen. Schöner sitzt man im Schwetzinger Schlossgarten auch nicht.
Neues Kajak. In unserem "früheren Leben" paddelten wir beide Kajaks desselben Typs, Mirage 530. Doch heute ergibt sich für uns stolze Eltern nur alle Jubeljahre die Gelegenheit, gleichzeitig auf dem Wasser zu sein. Das letzte Mal, dass Claudia und Peter gemeinsam im Kajak unterwegs waren, war im Januar 2010, als Gisela und Pico auf Niklas und Jonas aufpassten, Seither war zwar Claudia wieder aktiver geworden, Peter aber nur entlang des Murrumbidgee im Boot.
Als Claudia daher den Vorschlag macht, Peters Kajak zu verkaufen, um ein anderes Modell zu erwerben, zeigt der wenig Widerstand: Es bleibt ja weiterhin ein Mirage 530 in der Garage, auf das er zurückgreifen kann. Claudia testet über mehrere Monate hinweg immer wieder andere Boote, bis sie schließlich eines findet, dessen Charakteristika ihr 100%ig gefallen. Dass es noch dazu von einem guten alten Bekannten in unserem Club, Laurie, gefertigt wird, macht die Entscheidung nochmals leichter. Mal ganz zu schweigen von dem Preisnachlass, den er ihr gewährt ... Claudia muss nur wenige hundert Dollars auf den Erlös von Peters 530 legen und bekommt dafür ein niegelnagelneues Nadgee Bombora.
Lauries Kajakbaubetrieb ist, wie so viele australische Unternehmen, ein Ein-Mann-Betrieb. Er versucht sein bestes, Claudias neuen Stolz rechtzeitig zum Jahrestreffen unseres Clubs in Batemans Bay fertigzustellen. Als dann aber eine Woche Regen den Trocknungsprozess der Aussenhaut verzögert, muss er passen. Zum Rock'n'Roll nehmen wir das gute alte 530 mit.
Eine gute Woche nach unserer Rückkehr nach Sydney wird das Bombora angeliefert, direkt vor unsere Haustür. Kaum ist das gute Stück ausgepackt und zur Präsentation und Inspektion auf dem Rasen positioniert, finden sich zwei neue Kajak-Liebhaber: Niklas und Jonas belegen Cockpit und hinteren Stauraum mit Beschlag und lassen sich nicht vertreiben. Claudia kommt erst am folgenden Wochenende in den Genuss, auch einmal in ihrem neuen Boot zu sitzen.